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Sternschnuppen über Hyrkanien
Peter Hodina


Lemmingsbegehr

Die Leute, ohne oben zu sein,
auf sich von oben herab blicken,
als wären sie dadurch schon oben,
als könnten sie dadurch hinauf.
So bleiben sie unten,
so sind sie untergekriegt.

Einer wird rasend,
weil er nicht oben.
Eines andern ganzer Stolz:
nicht unten zu sein.

Alle wollen sie nach Oberach,
keiner nach Unterach,
wo doch Unterach viel schöner sein soll
als Ort,
für die Füße schonender
und einschmeichelnd dem Gemüt.
Alle wollen sie nach Großkötz,
die in Kleinkötz geboren.

Wie der Lemming
als Automat
zur Klippe hinauf drängt!



Dichtung ist das Steckenpferd des Dichterkillers

Sein Brotberuf
ist: junge Dichter ohne Brotberuf
zu killen
Sein liebstes Hobby
aber: Dichtung
Daneben spielt er
ganz fanatisch Karten
mit Honoratioren und freigekauften
Mördern
säuft sich ein Loch
bis über Mitternacht
rast mit dem Auto dann
durch vielhundertjährige Alleen
heim
zu seiner Alten
der immer nur der Mond
zum Anschauen bleibt
Nur selten wird ein solcher
aufgehalten
Nur selten kracht ein solches
gegen einen Baum
und würd im Frühverkehr
erst aufgefunden



Dächer nach innen gebaut

Wir wollten frei sein
und werden hineingestrudelt
Aus unserer Lyrik werden sinnlose Bewerbungen
Bald bleiben auch die Sätze aus
Das Wort erstickt in der Kehle
Der Rachenkatarrh belegt das Denken
mit dem Löschblatt der Angst
Der Gänsekiel kratzt leere Zeichen auf den Gaumen
Die Gaumenzäpfchen schreien um Hilfe
Wir kratzen das Papier auf
wir zerreißen die Bauchdecke des Papiers
mit unseren antiquierten Gänsekielen
In unseren Körpern nagen tausende Würmer
Maßband-Würmer die uns vermessen
Wir messen uns unaufhörlich aus
Wir bauen die Dächer nach innen
die Ziegel fallen uns ins Bett
Die schräge Fensterklappe stoßen wir morgens auf
wie die Luke eines Panzers
Kaltluft jagt die Baumwolle hoch
Die Bodenkrume ist dünn geworden



Variation I

Der Versucher spricht
heute nicht mehr in der Wüste
Er spricht in der Üppigkeit
Er säuselt dir zu: Iss dies
Kuhauge
zerbeiß
den kuhäugigen Blick
lass den Pressling des Ekels
hinuntergleiten
bei einem Bonmot
Dann würdest du
König sein
aller Länder

Die Kronprinzen
weigern sich

Nun liegen alle Länder brach
und verkommen


© beim autor | textproben aus dem buch sternschnuppen über hyrkanien


peter hodina ist 1963 in salzburg geboren. veröffentlichte zahlreiche beiträge in literaturzeitschriften, anthologien, im hörfunk und im internet. vorträge im in- und ausland über thomas bernhard, witold gombrowicz, bertolt brecht, ludwig hohl, jean améry, pawel florenski, ferdinand ebner. preisträger beim 6. harder literaturwettbewerb 2000. rauriser förderungspreis 2004. seit 2007 mitglied der grazer autorinnen autorenversammlung (gav).
publikationen auswahl
steine und bausteine 1, berlin 2009. (avinus verlag)
steine und bausteine 2, berlin 2010. (avinus verlag)



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